
Das Jahr bewusst betrachten - mit gratis Reflexionsbogen
Das Jahresende bringt oft einen Moment mit sich, in dem es ruhiger wird. Diese Ruhe kann ein guter Anlass sein, den eigenen beruflichen Weg mit etwas Abstand zu betrachten. Nicht als strenge Bilanz, sondern als Möglichkeit, innezuhalten und zu erkunden, was dieses Jahr wirklich geprägt hat – im Außen wie im Inneren.
Wenn wir auf die vergangenen Monate schauen, erkennen wir schnell, dass unsere Erfahrungen selten nur das Ergebnis einzelner Entscheidungen sind. Sie entstehen im Zusammenspiel mit Menschen, Aufgaben, Erwartungen und Umständen.
Ein Gespräch hat eine neue Möglichkeit eröffnet. Eine Veränderung im Team hat zur Verschiebung von Prioritäten geführt. Eine unerwartete Herausforderung hat uns gezeigt, wie anpassungsfähig wir eigentlich sind. Berufliches Gelingen entsteht nicht im luftleeren Raum, sondern im Kontext aus Beziehungen, Strukturen und Momenten, die sich gegenseitig beeinflussen.
Da war doch was: Erfolge wahrnehmen
In unserer schnelllebigen Arbeitswelt konzentrieren wir uns häufig auf die großen, sichtbaren Erfolge: das abgeschlossene Projekt, ein neuer Kunde, eine wichtige strategische Entscheidung.
Manchmal zeigt ein Rückblick auch noch etwas anderes: Viele bedeutsame Momente, die im Alltag untergegangen sind. Eine gelungene Abstimmung. Ein Gespräch, das neue Sichtweisen erschlossen hat. Eine Situation, in der man zu seiner Überzeugung gestanden hat, auch wenn es Gegenwind gab. Eine Herausforderung, die unerwartet kam und Nerven gekostet hat.
Treten Sie in den nächsten Tagen gedanklich bewusst einen Schritt zurück und betrachten Sie aus einer Art Metaperspektive das eigene Handeln. Welche Denk- und Verhaltensmuster haben mich begleitet oder sogar gesteuert? Welche Entscheidungen haben sich im Nachhinein als richtig erwiesen, vielleicht sogar ohne dass sie damals relevant erschienen? Wo habe ich anderen Halt, Orientierung oder Motivation gegeben? Wann und wo habe ich dies selbst empfangen?
Erfolge im Kontext von Menschen und Umwelt
Ein systemischer Blick hilft, die eigenen Muster und Entscheidungen nicht als isolierte Ereignisse zu sehen, sondern im Zusammenhang mit dem Umfeld, in dem sie entstanden sind. Jedes berufliche System, ob Team, Organisation oder Projektumfeld, beeinflusst unser Denken und Handeln. Was in der einen Umgebung als Stärke wahrgenommen wird, kann in einer anderen weniger passend sein. Verhaltensweisen wie Zurückhaltung, Mut, Strukturiertheit oder Flexibilität sind nicht ausschließlich fixe Verhaltensweisen, sondern Antworten auf unser Umfeld und die gegenwärtigen Bedingungen.
Diese Sichtweise kann entlastend sein. Sie zeigt, dass Entwicklungen selten nur auf individuelles Können oder Wollen zurückzuführen sind, sondern auf ein Zusammenspiel aus Umständen, Beziehungen und inneren Mustern. Dies veranschaulicht: Wenn Systeme sich verändern, dürfen sich auch eigene Strategien verändern. Und wenn Sie Ihr Verhalten ändern, verändern Sie unweigerlich das System, in dem Sie agieren. Diese Erkenntnis fördert die Selbstwirksamkeit in beruflichen Kontexten.
"Der Glaube, es gäbe nur eine Wirklichkeit, ist die gefährlichste Selbsttäuschung."
Paul Watzlawick
Wir konstruieren unsere Welt: Zum Konstruktivismus
Ein weiterer, hilfreicher Gedanke ist die Erkenntnis, dass wir unsere berufliche Wirklichkeit nicht nur erleben, sondern vielmehr durch unsere eigene Brille sehen.
Vieles entsteht durch unsere Wahrnehmung: Wie wir eine Situation deuten, welchen Tonfall wir heraushören, welches Verhalten wir als Anerkennung oder als Kritik verstehen. Gerade im Arbeitsalltag zeigt sich das deutlich; etwa wenn ein kurzer Kommentar eines Kollegen uns länger beschäftigt als die eigentliche Situation, oder wenn wir eine Entscheidung als „negativ“ empfinden, obwohl sie vielleicht ganz anders gemeint war.
Auch Konflikte sind ein gutes Beispiel dafür: Zwei Menschen können dasselbe Gespräch führen und dennoch zwei völlig unterschiedliche Wirklichkeiten erleben. Nicht, weil einer „falsch“ liegt, sondern weil jeder aus seiner eigenen Geschichte, seinen Erwartungen und seiner inneren (Gehfühls-)Welt heraus deutet.
Standortbestimmung als Möglichkeit zur Flexibilität erkennen
Am Ende des Jahres geht es nicht um richtig oder falsch, sondern darum, den eigenen Standpunkt bewusst wahrzunehmen.
Wir erkennen, wo wir Einfluss hatten, wie unsere Entscheidungen und unser Verhalten auf andere gewirkt haben – und wie andere Entwicklungen, auch wenn sie anstrengend waren, uns weitergebracht haben. Kleine Erfolge, die leicht übersehen werden, bekommen so ihren Platz, ebenso wie Enttäuschungen, die zeigen, dass wir dran geblieben sind.
Dieser Blick auf die eigenen Muster und Möglichkeiten ist flexibel: Er erlaubt uns, anzupassen, zu lernen und gestärkt ins nächste Jahr zu gehen.