Wie viel Durchsetzungsvermögen brauchen Führungskräfte heute?

Ein kritischer Blick auf Druck, Autorität und moderne Teamdynamik

Durchsetzungsvermögen gilt seit jeher als eine Kernkompetenz von Führungskräften. Wer führt, so die traditionelle Annahme, müsse klare Ansagen machen, Erwartungen formulieren und im Zweifel auch Druck ausüben können.

Doch die Anforderungen an Führung haben sich in den letzten Jahren grundlegend verändert, und damit auch der Blick darauf, wie viel „Durchsetzungskraft“ wirklich notwendig ist.

 

In einer Arbeitswelt, die zunehmend von Agilität, Selbstorganisation und Wissensarbeit geprägt ist, stellt sich die Frage:

Brauchen wir heute überhaupt noch autoritär auftretende Führungskräfte? Oder sogar: Kann zu viel Durchsetzungsvermögen Teams eher schaden als helfen?

Warum Durchsetzungsvermögen immer noch wichtig ist – aber anders

Führungskräfte benötigen weiterhin die Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen, Orientierung zu geben und in kritischen Momenten Verantwortung zu übernehmen. Aber Durchsetzungsvermögen bedeutet heute weniger „Druck ausüben“ und mehr Klarheit, Konsistenz und Konsequenz.

 

Moderne Führung braucht:

  • klare Prioritäten,

  • transparent kommunizierte Erwartungen,

  • den Mut, unangenehme Themen anzusprechen,

  • die Fähigkeit, Grenzen zu setzen,

  • und die Verantwortung, Entscheidungen zu tragen.

Das hat mit gesunder Autorität zu tun, aber nicht zwingend mit Härte oder Dominanz.

Der schmale Grat: Wann Druck kontraproduktiv wird

Druck erzeugt Energie, aber auch Reibung. Und Reibung kostet Ressourcen.

Studien zeigen: Zu viel Druck hemmt Kreativität, Lernbereitschaft und Verantwortungsübernahme.

 

Was passiert in Teams bei dauerhaftem Druck?

  • Mitarbeitende schalten in den „Überlebensmodus“. Sie werden reaktiv statt kreativ

  • Risiken werden minimiert, statt Innovation zu wagen

  • Loyalität entsteht aus Angst, nicht aus Bindung zum Arbeitgeber

  • Fehler werden kaschiert statt offen diskutiert

  • Verantwortung wird nach oben delegiert statt übernommen.

Dauerhafter Druck kann kurzfristig zu Ergebnissen führen, langfristig hemmt er jedoch die Leistungsfähigkeit und Gesundheit von Teams.

Die andere Seite: Wenn zu wenig Durchsetzungskraft zur Falle wird

Doch auch das Gegenteil ist problematisch. Führungskräfte, die zu wenig Präsenz zeigen, Konflikte vermeiden oder klare Entscheidungen nicht treffen, riskieren:

  • fehlende Orientierung im Team

  • unklare Rollen

  • schwelende Konflikte, die nicht angesprochen werden

  • sinkende Verantwortungsbereitschaft

  • ineffiziente Zusammenarbeit.

Bild Vanessa Garcia/Pexels

Ein zu “netter” Führungsstil kann genauso hemmen wie ein zu autoritärer.

Teams brauchen Führung, nicht im Sinne von Dominanz, sondern im Sinne von Rahmengebung.

Was Teams wirklich brauchen: situatives, menschenorientiertes Vorgehen

Der Schlüssel liegt weder im starren autoritären Stil noch im übertriebenen Laissez-faire Stil. Gute Führungskräfte entwickeln ein situatives Durchsetzungsvermögen, das geprägt ist von:

1. Kontextsensibilität

Was braucht das Team gerade? Stabilität? Kreativen Raum? Klare Entscheidungen? Struktur?

2. Psychologischer Sicherheit

Druck wird nicht zur Steuerung eingesetzt, sondern höchstens kurzfristig zur Priorisierung.

3. Konsequenter Klarheit

Werte, Erwartungen und Ziele sind verständlich, konstant und transparent.

4. Dialog statt Dominanz

Durchsetzungsvermögen bedeutet heute: Standpunkte vertreten und gleichzeitig offen sein für andere Perspektiven.

5. Selbstreflexion

Führungskräfte, die ihre Wirkung kennen, können bewusst entscheiden, wann sie Präsenz erhöhen oder verringern.


Führungskräfte werden dann stark wahrgenommen, wenn sie souverän, nicht autoritär auftreten. Wenn sie entscheiden, aber nicht dominieren. Wenn sie klar kommunizieren, aber nicht Druck als Mittel zum Zweck einsetzen.

Moderne Führung heißt nicht: „Weniger Durchsetzungsvermögen“.

Moderne Führung heißt: Durchsetzungsvermögen im richtigen Maß und Kontext, verbunden mit Menschlichkeit.


Wie setzte ich mich als Führungskraft durch?

Hier schreibt Nadine Thomas, systemischer Business-Coach für Führungskräfte seit 2023.

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